Das Gebäude vom Thüringer Landtag in der Jürgen-Fuchs-Straße., © Jens Kalaene/dpa-Zentralbild/dpa
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Pflegende Angehörige: Viel Kritik an SPD-Vorschlag

05.06.2024

Ein Vorstoß der Thüringer SPD zur Verbesserung der Situation von pflegenden Angehörigen ist im Landtag außerhalb der sozialdemokratischen Fraktion vor allem auf Ablehnung gestoßen. Der SPD-Vorschlag sei «völlig abgekoppelt von der Realität», sagte der CDU-Sozialpolitiker Christoph Zippel am Mittwoch in Erfurt während einer Plenardebatte.

Es sei überhaupt nicht finanzierbar, Menschen bei einer Landesgesellschaft anzustellen, die sich zu Hause beispielsweise um ihre pflegebedürftigen Eltern kümmern.

1400 Euro netto pro Monat für pflegende Angehörige

Die SPD schlägt vor, im Rahmen eines Modellprojekts bis zu 500 pflegende Angehörige bei einer Landesgesellschaft anzustellen und ihnen für ihre Sorgearbeit bei einer Vollzeitpflege 1400 Euro netto pro Monat zu zahlen. Mit diesem Einkommen sollen sie nicht nur ihren Lebensunterhalt bestreiten können. So soll auch sichergestellt werden, dass diese Menschen auch während der Pflege ihrer Angehörigen weiter in die Rentenkassen einzahlen, um sie so vor Armut im Alter zu schützen.

Kritik kam auch von den Linken. Mit einem Modellprojekt, wie es die SPD vorschlage, werde nur einem sehr geringen Teil der pflegenden Angehörigen geholfen, sagte der Linke-Landtagsabgeordnete Ralf Plötner. Das sei unzureichend. Das deutsche Pflegesystem müsse grundlegend reformiert werden.

Vorschlag sei nur auf den ersten Blick interessant

Thüringens Sozialministerin Heike Werner (Linke) argumentierte ähnlich. Der Vorschlag der SPD sehe zwar auf den ersten Blick interessant aus, habe aber Schwächen in wichtigen Details. So würden pflegende Angehörige den SPD-Plänen nach in Zukunft lediglich im Niedriglohnbereich bezahlt werden. Das sei ihrer wichtigen Arbeit nicht angemessen.

Der SPD-Sozialpolitiker Denny Möller sagte, ein großer Vorteil des Vorschlages sei, dass Pflegebedürftige auf diese Weise länger zu Hause bleiben könnten. Die Probleme der pflegenden Angehörigen seien so groß, dass in dieser Angelegenheit schnelles Handeln nötig sei. «Wir brauchen jetzt hier Taten», sagte er. Allerdings sei klar, dass sich dieser SPD-Vorstoß frühestens in der nächsten Legislaturperiode umsetzen ließe.

Umsetzbar mit Geld aus der Pflegeversicherung

Den Vorwurf Zippels, die SPD-Idee lasse sich nicht bezahlen, wies Möller zurück. Die Gehälter derer, die bei der Landesgesellschaft angestellt werden sollen, sollten aus den gleichen Mitteln bezahlt werden, die schon jetzt zur Finanzierung von Pflegedienstleistungen genutzt werden, sagte Möller der dpa: also über Beiträge der Gepflegten und aus der Pflegeversicherung.

Neben Vertretern von CDU und Linken reagierten auch Abgeordnete von AfD und FDP kritisch auf den SPD-Vorstoß. Die Grüne-Sozialpolitikerin Babette Pfefferlein ging nicht direkt auf die Idee ein.

Nach Angaben des Sozialministeriums leben in Thüringen nach aktuellen Schätzungen etwa 275 000 Menschen, die sich in der Regel zu Hause um die Pflege von Angehörigen kümmern. Meist leisten Frauen diese Arbeit.

Das Problem verschärft sich: So gab es 2011 etwa 82 000 pflegebedürftige Menschen in Thüringen, im Jahr 2021 fast 167 000. Bis zum Jahr 2025 erwartet das Statistische Bundesamt eine Steigerung dieser Zahl auf etwa 172 000 Pflegebedürftige in Thüringen.

© dpa-infocom, dpa:240604-99-276434/3

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