Brandbrief der Ost-IHK-Chefs ruft Gewerkschaften auf Plan
Der Deutsche Gewerkschaftsbund hat mit scharfen Worten auf den Ende Januar verbreiteten Brandbrief der Präsidenten der ostdeutschen Industrie- und Handelskammern an Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) reagiert. In dem Schreiben werde mit unbelegten Unterstellungen und Mutmaßungen argumentiert. Die Unzufriedenheit mit
der Bundespolitik werde deutlich gemacht, aber die Forderungen blieben weitgehend unkonkret. «Daher scheint der Ruf nach Entbürokratisierung erneut eher die Forderung nach dem Abbau von Schutzstandards für Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen und Umwelt als nach besseren Verfahren zu sein», heißt es in der von den für die ostdeutschen Länder zuständigen DGB-Landeschefs unterzeichneten Erklärung, die der Deutschen Presse-Agentur vorliegt.
Den IHK-Spitzen wird darin vorgeworfen, mit ihrer Forderung nach Entlastungen von Unternehmen von Steuern, Abgaben und Arbeitskosten ein neoliberal ausgerichtetes Programm zu vertreten. Dies treibe die Spaltung der Gesellschaft durch eine Umverteilung von unten nach oben voran. «Das aber wäre Wasser auf die Mühlen der Rechtsextremisten», warnen die Gewerkschafter.
Falsch sei zudem die Darstellung, dass höhere Sozialleistungen einen Anreiz für Nicht-Arbeit darstellten. «Das Problem sind die niedrigen Löhne, nicht die Höhe der Sozialleistungen», heißt es im DGB-Schreiben. So betrage der Lohnunterschied zwischen Ost- und Westdeutschland nach wie vor etwa 20 Prozent.
In ihrem vierseitigen Schreiben an Bundeskanzler Scholz hatten die im sogenannten Heringsdorfer Kreis zusammengeschlossenen Wirtschaftskammern ihre Sorge um die Zukunft des Wirtschaftsstandortes Deutschland und den gesellschaftlichen Zusammenhalt zum Ausdruck gebracht. Die regionale Wirtschaft stecke in einem sich zuspitzenden Dauerkrisenmodus. «Wir führen das vor allem darauf zurück, dass ein bewährtes wohlstandsflankierendes Prinzip der Bundesrepublik mehr und mehr verloren geht, nämlich die aktive Einbindung verschiedener Interessen in den politischen Prozess», heißt es in dem Brief.
Zudem beklagten die Kammerpräsidenten einen eklatanten Unterschied zwischen Worten und Taten der Bundesregierung. Landwirte und Teile des Mittelstands seien mit sehr kurzfristig beschlossenen Belastungen konfrontiert, bei wichtigen Schlüsselvorhaben der Wirtschaft werde gekürzt und im Energie- und Baubereich sei keine Planungssicherheit gegeben. Das fehlende Bekenntnis der Bundesregierung zu Technologieoffenheit im Energiebereich hemme Innovationen und Investitionen. Statt Bürokratie abzubauen, kämen immer neue Regulierungen hinzu und staatliche Sozialleistungen würden aufgebläht.
«All dies führt dazu, dass die internationale Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands erodiert», konstatierten die IHK-Spitzen. «Wenn sich an Ihrem Handeln und Auftreten nichts grundlegend ändert, fürchten wir, dass ein ostdeutsches Bundesland nach dem nächsten zu einem Sehnsuchtsort für Rechtsextremisten und wirtschaftlich zum Transitland verkommt», warnten sie mit Blick auf die bevorstehenden Landtagswahlen.
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