Polizisten sollen künftig vermehrt auf Thüringer Volksfesten anzutreffen sein. (Archivbild), © Martin Schutt/dpa
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Anschlag überschattet Wahlkampf - Konsequenzen in Thüringen

26.08.2024

Nach dem Anschlag von Solingen wird die Polizeipräsenz auf Thüringer Volksfesten erhöht. Es sei ein Erlass an die Landespolizei gegangen, mehr Streifen zu den Festen zu schicken und alle Einsatzkräfte zu sensibilisieren, sagte ein Sprecher des Innenministeriums. Auch die Sicherheitskonzepte der Veranstalter sollen nochmal genauer unter die Lupe genommen werden. Innenminister Georg Maier (SPD) sagte den Zeitungen der Funke-Mediengruppe zuvor: «Das werden wir kurzfristig realisieren.»

Künftig sollen nach Willen des Innenministeriums auch die Kreise und kreisfreien Städte eigenständig über die Einführung sogenannter Messer- und Waffenverbotszonen bestimmen können. Bisher habe es dafür immer Abstimmungen mit dem Land gebraucht. Pläne dazu habe es aber schon vor Solingen gegeben, sagte der Ministeriumssprecher. Am Dienstag soll im Kabinett über die rechtlichen Voraussetzungen dafür abgestimmt werden.

Deutlich mehr Messerangriffe in Thüringen

Die Zahl der Messerangriffe in Thüringen hat nach Angaben des Landeskriminalamts deutlich zugelegt. Im Jahr 2023 wurde demnach in 418 Fällen mit einem Messer gedroht oder zugestochen. Ein Jahr zuvor hatte die Zahl noch bei 267 gelegen, im Jahr 2021 waren es 124 Fälle.

«Nicht erst der abscheuliche Anschlag in Solingen macht deutlich, dass bundesweit ein starker Anstieg von Messerdelikten zu verzeichnen ist, dem mit allen Mitteln begegnet werden muss», erklärte Maier. Verbotszonen seien in Verbindung mit hoher Polizeipräsenz und Kontrolldichte ein «wirksames Instrument zur Gefahrenabwehr».

In Stuttgart in Baden-Württemberg gilt eine solche Verbotszone etwa bereits seit Februar 2023 in der Innenstadt. Allerdings wurden dort im vergangenen Jahr laut dem Innenministerium im Südwesten 53 Messerangriffe im Bereich der Verbotszone registriert.

Voigt will Abschiebehaftplätze

Bei einem Stadtfest in Solingen waren am Freitagabend drei Menschen mit einem Messer getötet worden. Acht Menschen wurden verletzt, vier davon schwer. Ein 26-jähriger tatverdächtiger Syrer sitzt seit Sonntagabend unter anderem wegen des Verdachts der Mitgliedschaft in der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) und wegen Mordverdachts in Untersuchungshaft. Der Verdächtige sollte im vergangenen Jahr abgeschoben werden, was jedoch scheiterte.

Thüringens CDU-Spitzenkandidat Mario Voigt forderte eigene Abschiebehaftplätze im Freistaat. «Wenn die CDU Regierungsverantwortung hat, werden wir Rückführungszentren und Abschiebehaftplätze in Thüringen einführen», sagte Voigt und reagierte damit auf den Anschlag in Solingen. Auch die Mediengruppe Ippen Media berichtete darüber. In Thüringen wird am Sonntag ein neuer Landtag gewählt.

Nach Angaben des Thüringer Innenministeriums gibt es im Land keine Einrichtung für Abschiebehaft. Man kooperiere mit Rheinland-Pfalz, wo ein einzelner Abschiebehaftplatz angemietet und damit für Thüringen reserviert sei. Ferner können weitere Plätze nach Abstimmung angemietet werden.

Linke warnt vor Populismus

Die Thüringer Linke-Abgeordnete Katharina König-Preuss warnte vor einem «Überbietungswettbewerb populistischer Forderungen». «Wir alle sind in Trauer mit den Familien und Freunden der in Solingen ermordeten Menschen», sagte sie. Statt Menschen mit Migrationsbiografie in Mithaftung zu nehmen, sollte man denen mehr zuhören, die vor Islamisten geflohen sind und «genauso wie wir in einer friedlichen Welt leben wollen».

Die Landesmigrationsbeauftragte Mirjam Kruppa nannte den Anschlag in Solingen «abscheulich». «Wir als Gesellschaft müssen uns gegen jegliche Form des Extremismus und der Gewalt gegen Mitmenschen stellen», forderte sie.

Der Anschlag in Solingen überschattet zunehmend auch den Wahlkampf in Thüringen. Die AfD setzte mehrere Posts in sozialen Netzwerken zu dem Thema ab. Thüringens AfD-Spitzenkandidat Björn Höcke teilte unter anderem eine Kachel mit einem blutigen Messer und einer Wahlaufforderung. Die Thüringer CDU beklagte bei X eine «ekelhafte Instrumentalisierung der Opfer durch Höcke».

© dpa-infocom, dpa:240826-930-213343/3

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